Preis muss Werte sichern
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Die Einkommen vieler Bio-Erzeuger sinken, Umstellungen stocken und etliche Unternehmen stehen vor einem schwierigen Generationswechsel. Zeitgleich sorgen Preisaktionen und Eigenmarken-Strategien der Händler für massiven Druck auf mittelständische Bio-Hersteller. Eine nachhaltige Sicherung der Lieferkette braucht jedoch eine faire Verteilung der Wertschöpfung.
Der Biomarkt wächst. Bei immer mehr Verbraucher landet Bio im Einkaufskorb. Vierzig Jahre mühevolle Aufbauarbeit der Pioniere und die aktuellen Werbemillionen großer Handelskonzerne haben das Biosortiment aus seiner Nische geholt. Mit dem Einzug in den Massenmarkt kämpft nun jedoch der werteorientierte Ansatz von Bio ums Überleben. Langfristige Partnerschaften und eine gerechte Verteilung der Wertschöpfung in der Lieferkette sind Konzepte, die in Konzernstrukturen keinerlei Priorität genießen. Der Handel setzt auf Bio-Eigenmarken und profiliert sich im Wettbewerb über den Preis. „Seit 2020 ist der Anteil der Bio-Handelsmarken von 52,4 Prozent auf 66,8 Prozent gestiegen, der Anteil der Herstellermarken von 47,6 auf 33,2 Prozent gesunken“, verweist Professor Stephan Rüschen, von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, bei den Ökomarketingtagen in Kirchberg auf aktuelle GfK-Erhebungen. Zukünftig rechnet er mit weiteren Marktverschiebungen. In fünf Jahren könnte der LEH mehr als 80 Prozent des gesamten Bio-Umsatzes erwirtschaften, so seine Prognose.
In den großen Handelskonzernen ist Bio mittlerweile zu einem wichtigen Imagefaktor avanciert. „Der kontinuierliche Ausbau des Biosortimentes ist bei Lidl ein wesentlicher Teil der Nachhaltigkeitsstrategie. Bis zum Jahr 2025 sollen es zehn Prozent sein“, zitiert das Onlinemagazin biohandel aus dem Lidl-Nachhaltigkeitsbericht. Allerdings dokumentiere der Bericht auch, eine Sortimentsverschiebung in Richtung Preisaktionen. So sei die Zahl der Bioartikel im Dauersortiment im Jahr 2023 um 2,5 Prozent auf 389 gesunken. Durch eine Anpassung im Obst- und Gemüsesortiment habe sich die Zahl der Bioland-Artikel zeitgleich um 4,3 Prozent auf 111 reduziert. Der Zahl der Aktionsartikel konnte im gleichen Zeitraum hingegen um 9,5 Prozent auf 207 Bio-Artikel zulegen.
Diese Entwicklung verschärft das Dilemma auf der Bio-Herstellerseite. Für viele mittelständische Bio-Unternehmen gehört zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise auch eine soziale Verantwortung. Sie vereinbaren langfristige Lieferverträge, um ihren Landwirten Planungssicherheit zu gewähren. Während Verarbeiter und Bündler einerseits langfristige Verpflichtungen mit den Erzeugern eingehen, müssen sie andereseits jährlich – wenn nicht sogar halbjährlich – immer wieder neu um ihre Listungen im Handel kämpfen.
Die Bio-Produzenten fordern daher auf der ersten Handelspartnertagung der Assoziation ökologischer Lebensmittelherstellerinnen und Hersteller (AöL) eine nachhaltigere Unterstützung und langfristigere Verträge von der Handelsseite. Der Handel müsse den Wert der Produkte über den Preisdruck stellen. Mit Hinweis auf den starken Preiswettbewerb bei den Bio-Eigenmarken konnte Matthias Sinn, Leiter Omnichannel Category Development bei der Rewe Group, den Anwesenden jedoch wenig Hoffnung auf Veränderung machen.
Eine Hilfestellung für die Lösung des Konfliktes zwischen Nachhaltigkeitszielen und Profitorientierung im Handel liefert eine neue Studie des Umweltbundesamtes. Die UBA-Wissenschaftler empfehlen, in den Nachhaltigkeitsberichten zukünftig auch die Einkaufspraktiken der Handelskonzerne zu bewerten. Einkäufer könnten Anreize dafür erhalten, wenn sie ökologische, soziale und tierwohlbezogene Sortimentsziele nachhaltig sichern.
Wie nachhaltig sind Supermärkte?