„Krisen werden zur Norm“
FairBio-Vorstand Boris Voelkel, Einkaufsleiter bei der Naturkostsafterei Voelkel, zur Beziehungsarbeit im Biomarkt und Resilienz durch Partnerschaften.
Irgendwo auf der Welt sind stetig Krisen. Wetterextreme, blockierte Schiffsrouten, Schädlingsbefall – Rohstoffe sind immer viel zu viel oder viel zu wenig vorhanden. Die Taktung dieser Krisen und deren Ausmaße nehmen seit Jahren zu. Die Einkaufsabteilung ist es mittlerweile gewohnt, ordentlich durchgeschüttelt zu werden. Jedes Jahr beenden wir mit dem hoffnungsvollen Gefühl, dass das Folgejahr erholsamer und sorgenfreier ablaufen wird. Obwohl die Wissenschaft bereits seit Jahrzehnten mit ihren Studien vor dem Klimawandel warnt, läuft die Wirtschaft einfach weiter und blendet die Konsequenzen aus.
Für uns als Unternehmen ist spätestens seit 2025 sicher: Normalität, wie wir sie kannten, wird nicht wieder kommen. Die extremen Bedingungen und die Unsicherheit unter denen wir aktuell agieren, das ist die neue Normalität. Die Biobranche war in der Vergangenheit jedoch nicht untätig und hat gute Voraussetzungen geschaffen, um diese multiple Krisenlage zu bewältigen.
Die Landwirtschaft weltweit und in Deutschland wird in Zukunft maßgeblich durch folgende Faktoren beeinflusst werden:
- Neue Schädlinge treten in ungewohntem Maße auf
- Wetterextreme können zu Höchsternten, Missernten oder Totalausfällen führen
- Es wird immer schwieriger, Ernte- und Anbauhelfer zu finden
- Ein rasanter technischer Fortschritt wird die Jäte- und Erntetechniken verändern
Wie können landwirtschaftliche Betriebe unter solchen Rahmenbedingungen einen anstehenden Generationenwechsel vollziehen? Wie muss eine Wertschöpfungskette gestaltet sein, um eine ökonomisch, ökologisch und sozial aufbauende Landwirtschaft zu sichern? Für Voelkel ist die Antwort schon lange klar: Wir können die anstehenden Herausforderungen nur gemeinschaftlich meistern.
Diese Beziehungsarbeit ist schwieriger, zugleich aber auch wichtiger denn je. Vertrauen, das über Jahre hinweg durch ein empathisches Wirtschaften und ein wärmevolles Miteinander aufgebaut wurde, bewährt sich nun in diesen immer wackligeren Zeiten. Denn der Ursprung der Bio-Pioniere ist das Gemeinschaftliche. Das Prinzip funktioniert nicht nur in der Therorie, sondern auch im Alltag. So hat Voelkel in den vergangenen Jahren den Lieferanten ein ruhiges und stabiles Preisniveau für viele Kulturen gesichert. Im Jahr 2022 haben wir den Landwirten große Mengen Äpfel trotz riesiger Erntemengen zu einem stabilen Preis abgenommen.
In diesem Jahr profitiert nun Voelkel umgekehrt von den partnerschaftlichen Beziehungen. Der Frost zur Blütezeit im Frühling hat viele Kulturen in Europa geschädigt. Die starken Einbußen bei Kirschen, Johannisbeeren, Erdbeeren und Wildheidelbeeren führten teils zu Verdreifachung der Preise. Glücklicherweise wurde Deutschland von den Frösten weitestgehend verschont. Durch die stabilen und verlässlichen Lieferbeziehung bleiben die Preisaufschläge für Voelkel mit 20 bis 25 Prozent verkraftbar. Die Landwirte liefern uns verlässlich eine tolle Qualität und sichern damit unser gemeinsames, resilientes System.
Wenn wir gesunde Strukturen erhalten wollen, müssen wir gemeinschaftlich denken, fühlen und handeln. Die Wertschöpfungsketten müssen ganzheitlich betrachtet werden, denn die Unwägbarkeiten werden unser Leben mehr und mehr prägen. Lasst uns menschlich bleiben, es wird tragen!