Die Preise müssen transparent sein
Die großen Handelskonzerne haben in der Inflation Kasse gemacht. Um das künftig zu verhindern, braucht es bei den Preisen Transparenz. Wenn es sein muss auch per Gesetz.
Die Konsument*innen sind zunehmend unzufrieden. Der aktuelle Kundenmonitor der ServiceBarometer AG offenbart ihre große Enttäuschung in der Preiswahrnehmung von Lebensmitteln. Speziell Discounter, aber auch Supermärkte und große Verbrauchermärkte verlieren derzeit massiv in der Kundengunst. Seit Monaten erheben die Verbraucherzentralen schwere Vorwürfe gegen die großen Handelskonzerne. Ihre Kritik: Die seit Sommer 2021 stark erhöhten Lebensmittelpreise sind nicht allein mit gestiegenen Energie- und Produktionskosten zu erklären. Im Vergleich zum Vorjahresmonat lag die Lebensmittelteuerung im Mai 2023 bei plus 14,9 Prozent – bei einer allgemeinen Inflationsrate von 6,1 Prozent. Neben dieser nicht nachvollziehbaren Teuerung beklagen die Verbrauchervertreter die undurchsichtige Preisbildung in der Branche. So sorgten die Preiskapriolen bei Biomilch selbst branchenintern nur noch für Kopfschütteln. Zusätzlich werde die Preissteigerung mit verschiedenen Strategien verschleiert, kritisieren die Hamburger Verbraucherschützer. Eine Variante reduziere den Verpackungsinhalt bei gleichem Produktpreis. Die andere Methode ersetze Rohstoffe durch weniger oder minderwertigere Inhaltsstoffe. Für die beiden Techniken sind mittlerweile die Schlagworte „Shrinkflation“ und „Skimpflation“ in den Titelzeilen präsent.
Bremsklotz für die Ernährungswende
Die Verbraucherzentrale in Nordrhein-Westfalen untermauerte ihre Kritik mit einem Marktcheck in 20 Filialen von vier großen Lebensmittelhändlern. Dort verglich sie im Mai 2023 das Preisniveau von 19 Grundnahrungsmitteln. Die Unterschiede waren teilweise gravierend. So wurde bei Blumenkohl eine Preisdifferenz von 404 Prozent ermittelt. Die größte Preisspanne erreichten Kartoffeln mit 454 Prozent. Insgesamt ermittelte der Marktcheck bei 17 von 19 untersuchten Lebensmitteln Preisunterschiede von mehr als 100 Prozent. Der Handel teste aus, was an Erhöhung gehe und was nicht, so das Fazit der Marktchecker. Sie fordern, dass die Lebensmittelpreise von einer unabhängigen Preistransparenzstelle dauerhaft erfasst und kontrolliert werden. Auch in Österreich, der Schweiz, Frankreich und Spanien sollen die Preise und Margen im Lebensmittelhandel genauer unter die Lupe genommen werden. Die hohen Spannen in nachhaltigen Sortimenten haben verschiedene Studien ins Visier genommen. Für die Marktforscher sind die hohen Margen der Handelsunternehmen derzeit ein klarer Bremsklotz für die notwendige Transformation im Ernährungsbereich. Dass die Händler in ihrer Preisgestaltung vorrangig ihren eigenen Spielraum ausloten, belegen die Aktionen von Penny und Lidl. Mit der Aktion „Wahre Kosten“ wollte Penny gerechte Preise diskutieren. Schaut man sich die Marketingaktion genauer an, ergibt sich ein interessantes Bild. In der ersten Aktion im September 2020 kostete Biomozzarella 0,89 Cent. Der damals errechnete Wahre-Kosten-Verkaufspreis lag bei 1,16 Euro. Drei Jahre später kostete das Produkt bereits regulär 1,29 Euro und der „Wahre-Kosten-Verkaufspreis“ liegt nun bei 1,92 Euro. Ähnlich spannend ist die Lidl-Aktion „Du hast die Wahl“. Auf den verschärften Wettbewerb im Veggie-Regal reagierte Lidl mit einer Preisabsenkung der Veggie-Eigenmarke auf das Niveau der tierischen Vergleichsprodukte. Auch Aldi Süd senkte daraufhin die Preise für elf Veggie-Artikel deutlich. Eine Milchalternative wurde dabei um 36 Prozent billiger. Wenn derartig viel Spielraum ist, muss man sich schon fragen, wer eigentlich an welcher Stelle der Wertschöpfungskette wie viel an Lebensmitteln verdient. Etwas mehr Transparenz wäre sicherlich auch hilfreich für die von Handelsseite gerne betonte – aber selten belegte – faire Zusammenarbeit mit den landwirtschaftlichen Erzeugern.