„Der Preis sichert regionalen Anbau“
Für den Handel ist regionales Bio-Obst und Bio-Gemüse ein wichtiger Wettbewerbsfaktor. Dennoch geraten heimische Bio-Produzenten zunehmend unter Druck. FairBio hat Andreas und Klaus Engemann vom Biolandhof Engmann zu den Ursachen befragt.
FairBio: Laut Statistik stammen bei Obst lediglich 20 Prozent und bei Gemüse nur 27 Prozent aus heimischem Anbau. Im Biosegment fällt dieser Unterversorgung noch höher aus. Zeitgleich weisen Verbraucherumfragen ein großes Potenzial für regionale Lebensmittel aus. Warum produziert die Landwirtschaft nicht mehr Ware?
Andreas Engemann: Im Frischgemüsebereich wird die Vermarktung zunehmend schwieriger. Zu Coronazeiten profitierte die Direktvermarktung von einem sehr starken Zulauf. Durch den Ukrainekrieg und Inflation ist diese Nachfrage nun wieder sehr stark abgeflacht. Zudem wandern die Kunden derzeit in Biosegment vom Fachhandel in Richtung Discount ab. Daher beliefert unser Betrieb seit vier Jahren auch den LEH und den Discount. Für die neuen Absatzwege müssen die Erzeuger jedoch langfristige Investitionen beispielsweise in Abpackstationen tätigen, obwohl die Abnahmeverträge lediglich kurzfristig laufen. Dadurch gerät die Landwirtschaft in eine gewisse Abhängigkeit. Verlässlichkeit auch über längeren Zeitraum ist jedoch für die Landwirte sehr wichtig.
Klaus Engemann: Die drei Standardartikel Kartoffeln, Möhren und Zwiebel lassen sich gut mechanisieren und auch problemlos lagern. Dort funktionieren Zusammenarbeit und Mengenplanung mit dem Lebensmittelhandel zufriedenstellend. Bei anderen Frischeartikeln ist es schwieriger, daher mussten wir unsere bisher angebaute Produktvielfalt stark reduzieren und haben beispielsweise schwarze Johannisbeeren und Champignons aus dem Sortiment gestrichen. Die regionale Produktvielfalt funktioniert aktuell nur in der Direktvermarktung gut.
FairBio: In der Werbung rückt der Handel sein Engagement für regionale Erzeugung wirksam in den Fokus, um die Kunden für sich zu gewinnen. Woran scheitert ein breites regionales Frischeangebot in der Praxis?
Andreas Engemann: Im Endeffekt geht es dem Handel immer um das Verhältnis von Preis und Leistung. Wenn der Preis stimmt, hat das regionale Angebot Vorrang. Wenn man sich preislich nicht einig werden kann, wird eben in der EU oder auf dem Weltmarkt eingekauft. So stimmt der Handel beispielsweise den Preis für deutsche Biomöhren zwar mit den Erzeugern ab. Doch dann drängen dänische Biomöhren in den Markt und messern den Preis knallhart runter. In der Discountschiene landet dann eben die günstige Möhre. Damit geraten wir enorm unter Druck. Ich finde, das geht gar nicht. Wer zur deutschen Erzeugung steht, muss dann auch zu einem gewissen Preis stehen.
Kaus Engemann: Die Verhandlungen im Fachhandel erfolgten in den letzten Jahrzehnten auf Augenhöhe, davon sind wir im LEH noch ein Stück weit entfernt. Der Fachhandel will seinen Kunden ein komplettes Sortiment – möglichst aus der Region – bieten, dafür stehen wir als Partner jederzeit zur Verfügung. Die Produktionskosten in Deutschland haben sich in den vergangenen Jahren deutlich erhöht, dadurch haben sich Preise für die arbeitsintensiven Produkte wie Beerenobst und Champignons verteuert. Bisher ist es uns nicht gelungen die gestiegenen Produktionskosten in den Preisverhandlungen durchzusetzen. Mit der geplanten Steigerung des Mindestlohns 2026 wird diese Preisschere noch weiter auseinander gehen.
FairBio: Angesicht der aktuellen politischen Entwicklungen wird die Zukunft nicht leichter. Welche Bedeutung hat das Thema Versorgungssicherheit für den Handel? Wie kann der LEH die Landwirte für den regionalen Anbau von Bio-Gemüse und Bio-Obst motivieren?
Klaus Engemann: Der Handel hat ein sehr gutes Steuerungsinstrument, um die Landwirte für eine bestimmte Produktion zu motivieren und das ist der Preis. Wenn der Handel den Landwirten nachhaltig faire Erzeugerpreise bietet, produzieren die Landwirte sofort. Wir haben jedoch das große Problem, dass Deutschland als Produktionsstandort für Obst und Gemüse einfach teurer ist. Der LEH muss erkennen, dass wir für ein deutsches Obst und Gemüse einen anderen Preis brauchen als für Produkte aus Süd- oder Osteuropa.
FairBio: Welche Konsequenzen hat es für den heimischen Anbau, wenn der Vorteil einer regionaler Versorgungssicherheit für den Handel weniger relevant ist?
Andreas Engemann: Nicht nur im Biobereich werden die landwirtschaftlichen Strukturen immer größer, um den LEH zu beliefern. Der aktuelle Strukturwandel ist so immens, dass nur die ganz großen Betriebe durchhalten können. Derzeit geben viele Bio-Betriebe auf, die zwischen 10 und 50 Hektar Gemüse anbauen. In der nächsten Runde werden es die Höfe mit 100 bis 200 Hektar Gemüseanbau sein. Wenn sich der LEH jetzt nicht ganz klar zu regionalen Strukturen bekennet, verschwinden diese Anbieter. Dann braucht sich keiner mehr darüber beschweren, dass ein regionales Angebot an Obst und Gemüse fehlt.