„Aus der Krise wieder zur Handlungskraft“
Der Versuch, die alten Werte der Zusammenarbeit auch in neuen Vertriebswegen zu erhalten, sorgt in der Biobranche für Druck. FairBio hat Mental-Coach Christian Sonnenschein gefragt, wie sich Mittelständler und Landwirt:innen für diese Herausforderungen wappnen können.
FairBio: Viele mittelständische Bio-Unternehmer:innen stehen derzeit unter enormem Druck. Wie können sich Führungskräfte dafür rüsten?
Christian Sonnenschein: Führungskräfte müssen sich selbst zuerst führen können. In Phasen von Rollback, Fachkräftemangel, Preisdruck oder Hof-/Firmenübergaben erleben viele eine mentale Überforderung, die sie selten offen zeigen. Sie tragen die Firma, die Familie, die Mitarbeiter – aber niemand trägt sie. Die meisten Menschen bekommen es erst mit, wenn es weh tut, wenn sie – im übertragenen Sinne – mit dem Trecker gegen die Wand gefahren sind.
Wenn im Betrieb irgendwo eine Lampe rot leuchtet, dann ist dies ein Fall für Werkstatt und Techniker. Im Alltagsstress blenden viele Führungskräfte die leuchtende Lampe bei sich selbst oftmals aus. Da fehlt vielen Menschen eine entsprechende Sensorik. Sie erkennen die Warnsignale meistens erst dann, wenn sie etliche Kilometer zu weit mit der roten Lampe gefahren sind. Es braucht ein Coaching für eine Bewusstseinsschulung, um das verursachende Problem zu erkennen und rechtzeitig zu handeln.
FairBio: Mit welchen Coaching-Methoden kann Resilienz gestärkt werden, um gesund durch Krisen zu kommen?
Christian Sonnenschein: Resilienz ist kein Mindset-Spruch, sondern ein trainierbarer neurobiologischer Zustand. Wenn es um die Psyche geht, denken viele Menschen zunächst an ein langwieriges, analytisches Aufarbeiten der Kindheit. Das ist nicht der Ansatz von Coaching-Methoden. Natürlich ist auch eine biografische Arbeit damit verbunden, denn die Ursachen für gegenwärtige Probleme sind meist in der Vergangenheit verortet. Viele wissen oft gar nicht genau, worin das Problem genau liegt und können es daher auch nicht gezielt angehen. Resilienz entsteht, wenn jemand lernt: Ich kann mich jederzeit selbst wieder beruhigen – egal was im Außen passiert. Dann wird aus der Krise wieder Handlungskraft.
Der erste Schritt besteht darin, sich zu sortieren und innerlich zu strukturieren. Damit löst sich schon 80 Prozent des Stresses. Dann gehen wir das Problem „minimalinvasiv“ an. Neurowissenschaftlich liegt das Problem in einem Teil des Gehirns und die Lösung an anderer Stelle. Um möglichst schnell vom Problem zur Lösung zu kommen, müssen wir es an der Wurzel packen. Dann können wir den Fokus auf das lenken, was wir haben wollen. Dafür gibt es spezielle Techniken, die schnell funktionieren und auch Spaß machen.
FairBio: Der alltägliche Kampf im Mittelstand macht Betriebsübergaben derzeit oft schwierig. Bereits aufgebaute Nachfolger streichen die Segel oder Eltern raten ihren Kindern von einem Einstieg ab. Wie kann die nächste Generation für eine Übernahme gestärkt werden?
Christian Sonnenschein: Die größte Hürde bei Übergaben ist selten das Fachliche, sondern meist das Innere. Die Hürde der Verantwortung, die Erwartungen der Eltern, die Angst vor Fehlern oder Loyalitätskonflikte. Jungen Nachfolger:innen hilft ein Training, das sie dann dabei unterstützt, stabil und souverän zu werden. Damit können sie eine innere Identität als neue Führungskraft aufbauen. Diese ist die Basis dafür, dass Übergaben nicht in Stillstand, Streit oder Scham enden, sondern in echter Weiterentwicklung. Ein Coaching kann dabei auch innerfamiliäre Konflikte auflösen, die diesen Schwierigkeiten meist zugrunde liegen. Wenn die Emotionen als Kernschlüssel gelöst sind, kann man auf der sachlichen Ebene eine Lösung finden.
FairBio: Auch Mitarbeitende spüren die schwierigeren Zeiten. Wie können Unternehmer:innen hier Ausfälle vermeiden?
Christian Sonnenschein: Coaching hilft den Menschen, sich selber zu führen. Wenn man dies für sich selber geschafft hat, kann man es auch weitergeben. Die Tools, die zur Selbstführung im Coaching erworben werden, können auch zur Unterstützung der Mitarbeiter eingesetzt werden. Das Wichtigste ist, dass Führungskräfte lernen, diese Signale früh zu erkennen – und dass Mitarbeiter niedrigschwellig jemanden haben, mit dem sie sprechen können. Psychische Ausfälle entstehen selten über Nacht. Man sieht sie vorher – wenn man weiß, worauf man achten muss. Erste Anzeichen sind schwindender Antrieb, Reizbarkeit, Rückzug, innere Erschöpfung und private Belastungen, die plötzlich aufs Arbeitsverhalten durchschlagen. Viele Firmen nutzen dann einen Coach als externes Überbrückungskabel. Die Mitarbeiter werden damit aufgefangen, bevor sie wirklich ausfallen. Das spart Ausfallkosten, hält Mitarbeiter stabil und verhindert langfristige Schäden.
FairBio: Coaching ist in der Land- und Ernährungswirtschaft bislang eher wenig verbreitet. Welche Erfahrungen haben Sie in diesen Branchen gemacht?
Christian Sonnenschein: Sehr gute und sehr eindrückliche. Unternehmer wie Bäcker, Landwirte oder Lohnunternehmer gehören zu den härtesten Berufsbildern, die ich kenne: Frühe Arbeitszeiten, körperliche Belastung, ständiger wirtschaftlicher Druck, Wetterrisiken, Generationenkonflikte, wenig Pausen. Was fast alle gemeinsam haben: Sie funktionieren – bis sie nicht mehr funktionieren.
In dieser Branche werde ich oft gerufen, wenn jemand kurz vor dem Kollaps steht oder eine Familie aneinander vorbeiredet. Mit klaren, einfachen, alltagstauglichen Methoden kann man hier enorm viel bewirken – gerade weil die Menschen pragmatisch, ehrlich und direkt sind. Viele Unternehmer:innen erleben nach wenigen Tagen eine spürbare Entlastung: Mehr Klarheit, besserer Schlaf, ruhigerer Kopf, weniger Konflikte und wieder mehr Handlungskraft. Die innere Ausrichtung ist ein entscheidender Erfolgsfaktor. Daher investieren immer mehr Unternehmen in Coaching.
Sind Symptome schon Warnsignale? – einfach hier testen
