Die Machtverhältnisse prüfen
Der Markt verschiebt sich weiter zu Lasten der Landwirtschaft. Zu diesem Ergebnis kommt die Monopolkommission in ihrem aktuellen Sondergutachten. Sie fordert daher, Fusionen auf Handel- und Herstellerseite zukünftig gezielt nach deren Auswirken auf die gesamte Lieferkette zu prüfen.
Die vier großen Händler (Edeka, Rewe, Lidl/Schwarz, Aldi) kontrollieren 85 Prozent des Markts. „Die Macht des Lebensmitteleinzelhandels und teilweise der Hersteller ist zulasten der Verbraucherinnen und Verbraucher deutlich gestiegen, während die Landwirtschaft oft den Weltmarktrisiken ausgesetzt ist“, lautet das Fazit des Kommissionsvorsitzenden Tomaso Duso im Sondergutachten zum Wettbewerb in der Lebensmittel-Lieferkette.
Zeitgleich steigen die großen Handelskonzerne für die Herstellung ihrer Eigenmarken gezielt in die Lebensmittelproduktion ein. Wie das ForumFairerHandel in der Dokumentation „Die Macht der Big Four“ zusammenstellte, zählt die Schwarz-Gruppe mit Lidl inzwischen zu den größten Lebensmittelherstellern in Deutschland. Der Konzern produziert Nüsse, Back- und Teigwaren, Speiseeis, Schokolade sowie Röstkaffee und Mineralwasser sowie Erfrischungsgetränke in eigenen Betrieben. Edeka betreibt drei Mineralbrunnen, 14 Bachwarenbetriebe, 14 regionale Fleischwerke, zwei Fruchtsaft-Abfüller, zwei Weinkellereien und eine Pasta-Manufaktur. Zur Rewe-Gruppe gehören neben einer Großbäckerei und -metzgerei auch zwei Weinhersteller. Aldi besitzt eigene Kaffeeröstereien und einen Mineralbrunnen. Über eine Familienstiftung erwarben die Aldi-Eigentümer größere landwirtschaftliche Flächen – vorwiegend in Ostdeutschland. Fazit der Dokumentation: Die zunehmende vertikale Integration verschärft die Machtverhältnisse im Lebensmittelsektor zulasten der Landwirtschaft und mittelständischen Verarbeitern.
Machtverschiebung stoppen
Die Monopolkommission empfiehlt der Bundesregierung daher, Zusammenschlüsse verstärkt daraufhin zu prüfen, wie sie sich auf die gesamte Lieferkette auswirken. Da der Lebensmitteleinzelhandel seine Aktivitäten zunehmend auf vorgelagerte Marktstufen ausdehne, reiche eine Betrachtung der Auswirkungen auf direkte Wettbewerber auf der Handelsebene nicht mehr aus. Durch Zukäufe und die Ausweitung in die Herstellerebene verstärkten die Händler ihre Verhandlungsmacht gegenüber Herstellern. Parallel zu den Konzentrationsprozessen auf Handel- und Herstellerebene seien im gleichen Zeitraum die Verbraucherpreise stärker gestiegen als in vielen anderen Ländern der Europäischen Union.
„Die hohe Marktkonzentration und steigende Preisaufschläge auf Lebensmittel sind besorgniserregend“, so sich Kommissionsvorsitzender Duso. Die Schere zwischen Erzeuger- und Verbraucherpreisen gehe damit immer weiter auseinander. Für die Anbieter wird es damit immer schwieriger, faire und planbare Abnahmepreise zu erhalten. Eine weitere Erkenntnis des Gutachtens: Die Durchsetzung der Gesetze durch die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung und das Bundeskartellamt könnte verbessert werden. Die Kommission fordert eine konsequentere Durchsetzung bestehender Regeln gegen unfaire Handelspraktiken.
Gesetze konsequent umsetzen
„Die Supermärkte wollen möglichst viel an Marge heraus handeln, ohne Rücksicht darauf, ob die Kosten der Lieferanten gedeckt sind. Bundesregierung und Behörden müssen stärker gegen unlautere Handelspraktiken vorgehen, sonst werden immer mehr kleinere Lebensmittelhersteller und Landwirte aus dem Markt gedrängt“, erklärt Maja Volland, Referentin für Wirtschaft und Menschenrechte beim Forum Fairer Handel. Ein Gebot kostendeckender Einkaufspreise sei daher dringend erforderlich.
„Die Bundesregierung muss unfaire Handelspraktiken unverzüglich stoppen. Statt einseitig auf Effizienzsteigerung, Wachstum und Export zu setzen, muss sie faire Rahmenbedingungen für kleine und mittlere Landwirtschafsbetriebe sowie das Lebensmittelhandwerk schaffen und regionale Lebensmittelwertschöpfungsketten stärken“, kommentierte Ophelia Nick, Sprecherin für Landwirtschaftspolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen das Sondergutachten. Die Schere zwischen Erzeuger- und Verbraucherpreisen gehe immer weiter auseinander. All das schade Erzeuger:nnen, Verbraucher:innen und einer unabhängigen und krisenfesten Lebensmittelversorgung. Nur mit einer Vielfalt an Betrieben könne man der Marktkonzentration großer Konzerne entgegentreten und damit eine unabhängige, krisenfeste und regionale Lebensmittelversorgung sichern.
Nick fordert eine Sektoruntersuchung im Lebensmittelhandel durch das Bundeskartellamt, um offengebliebenen Fragen zur Wettbewerbssituation im Handel zu klären. Daraus müssten dann weitere politische Maßnahmen zur Stärkung von Erzeugern, dem Lebensmittelhandwerk und regionaler Vermarktung abgeleitet werden.
Foto: Die Monopolkommission hat ihr Sondergutachten vorgestellt (von links): Prof. Dr. Rupprecht Podszun, Constanze Buchheim, Dagmar Kollmann, Prof. Dr. Tomaso Duso, Pamela Knapp.
Bildquelle: Hammelstein
